Dr Geenij

Mäusezähne und Holzwurm

BS, 10.10.2018. Onkel Jorg war ein Geistlicher „alter Schule“. Talentiert, ein guter Redner, jedoch unbeugsam in seinen religiösen Ansichten, dennoch aber sehr humorvoll und mit einem gewissen schelmischen Blick ausgerüstet.

Im Geschehen des II. Weltkrieges durfte er nicht als Geistlicher agieren – wie alle nicht von der Wehrmacht bestellten Geistlichen – sondern „nur“ als Sanitäter dienen. In seinem „Sani-Koffer“ hatte er die liturgischen Gegenstände für konspirative hl. Messen untergebracht, aber alle Gegenstände waren „getarnt“. Der Kelch bestand aus auseinanderschraubbaren Gefäßen oder die Stola war eine Art zusammengerolltes Maßband. Er verstand ein paar Brocken Russisch, die er bei seelsorgerlichen „Einsätzen“ (z.B. Taufen) bei russischen Familien gelernt hatte.

Nach dem Krieg baute er sich in Sachsen aus Flüchtlingen eine kleine Gemeinde auf. Er versah seinen Dienst buchstäblich bis zu seinem Tode mit mit 92 Jahren. Auf Äußerlichkeiten legte er nicht viel Wert. Seine kleine Kapelle in seinem Wohnhaus sah 2006 noch so notdürftig ausgestattet aus wie in den Nachkriegsjahren.

Onkel Jorg war auf allen Feiern ein gern gesehener Redner, der es verstand, seine Zuhörerschaft zu unterhalten und zu amüsieren. Neben Traktätchen aus seiner schlesischen Heimat trug er dabei oft auch Sächsische vor, natürlich auf Sächsisch.

Noch mehr „Provisorium“ wie seine Kapelle war seine kleine Wohnung ein solches. Dort hatte er sich zwar eine kleine Bibliothek eingerichtet, wurde aber offensichtlich verschiedener „Haustiere“ nicht Herr. Da in der Küche so gut wie nichts zu holen war, haben sich die Mäuslein halt an die Bücher herangemacht! Auch wusste ich nicht, dass ein Holzwurm imstande ist, eine ganze Buchreihe quer zu durchbohren.

Unter den so zugerichteten Werken fand sich das Büchlein „Dr Geenij“. Man versuche einmal, als der sächsischen Mundart Unkundige/r, die Bedeutung dieses Titels herauszufinden!

Alles Weitere überlasse ich nun den Leser/innen der ersten durch Mausezähne gerändelt verzierten Seiten dieses Büchleins, das der bohrende Holzwurm glücklicherweise noch nicht erreicht hatte.

Ich selbst versuche mich ab und zu in der sächsischen Mundart, was allerdings vom Autor Hans Reimann ad absurdum geführt wird...

gcjm

(Imbritt und Kerstin gewidmet)

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Onkel Jorg beim 60. Priesterjubiläum in seiner Kapelle
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